BERLIN, 18. August 2023 – Der Online-Sprachkursanbieter Learnship hat bei der Unterbezahlung von selbstständigen Lehrkräften einen neuen Tiefpunkt erreicht. Viele der Lehrkräfte, die bisher mehr als 15 € pro Stunde verdient haben, erhalten keine Aufträge mehr, andere verdienen nur noch 12 € pro Stunde.

Die FAU Berlin fordert grundlegende Veränderungen bei Learnship, um die Rechte von Sprachtrainer*innen zu wahren:

Marten Brehmer, „Sprachkursanbieter Learnship: Bestnote in Ausbeutung,“ nd, 16.08.2023


Gewerkschaftlich organisierte Lehrkräfte sagen, dass bei Learnship die Freelancer auf der Strecke bleiben

Berlin, 14 AUGUST 2023 – Die FAU Berlin fordert grundlegende Veränderungen bei Learnship, um die Rechte von Sprachtrainer*innen zu wahren

Der Online-Sprachkursanbieter Learnship hat bei der Unterbezahlung von selbstständigen Lehrkräften einen neuen Tiefpunkt erreicht. Viele der Lehrkräfte, die bisher mehr als 15 € pro Stunde verdient haben, erhalten keine Aufträge mehr, andere verdienen nur noch 12 € pro Stunde. Das kommt einer Honorarkürzung gleich, die ohne Vorwarnung oder Rücksprache umgesetzt wurde.

Ähnlich handelte der der Onlinedienstleister bereits 2018, als er neue Regelungen zu Stornierungen einführte: Wenn Kursteilnehmer*innen weniger als sechs Stunden im Voraus absagen oder nicht zum Unterricht erscheinen, erhalten die Sprachtrainer*innen nur einen Drittel ihres Stundensatzes – und gar nichts, wenn die Teilnehmer*innen früher absagen. Bei vielen Lehrkräften erfolgte die letzte Honorarerhöhung 2018, bei anderen liegt sie noch länger zurück. Das Festsetzen der eigenen Honorare ist zentraler Bestandteil selbstständiger Arbeit. Während der Pandemie wurden die Lehrkräfte hingegen gezwungen, entweder ihren Stundensatz um 25 % zu reduzieren oder auf unbestimmte Zeit keine neuen Kurse zu erhalten. Diese „Coronakürzung“ wurde erst nach knapp einem Jahr zurückgenommen, die Stornoregelung besteht bis heute fort.

Seit dem Frühjahr setzt Learnship seine Lehrkräfte erneut unter Druck, niedrigere Stundensätze zu akzeptieren. Einer Lehrerin wurde der Zugang zur Webseite gesperrt, weil sie den Satz von 12 € pro Stunde nicht akzeptieren wollte. Erst nachdem sie sich bei der Geschäftsführung beschwert hatte, wurde ihr Zugang wieder freigegeben. Vielen Schüler*innen von Lehrkräften, die mehr als 15 € verdienen, wurde bereits mitgeteilt, dass sie nach dem Ende der laufenden Kurse mit einer anderen Lehrperson weitermachen müssen.

In Deutschland verdienen Lehrer*innen zwischen 44.900-63.000 € pro Jahr (Quelle: Stepstone.com). Eine Lehrkraft, die bei Learnship für 15 €/Stunde arbeitet, verdient bei 20 Stunden Unterricht pro Woche und 48 Arbeitswochen nur 14.400 €. Mit einem Stundensatz von 12 € – was dem aktuellen Mindestlohn in Deutschland entspricht – kommen die Kolleg*innen auf nur 11.520 € pro Jahr. Nicht enthalten im Stundensatz sind Verwaltungsaufgaben, Vor- und Nachbereitung und Bewertung. Praktisch gesehen bewirken diese Umstände, neben weiteren Vorgaben des Unternehmens, dass die Lehrer*innen effektiv noch weniger verdienen.

Wie alle Selbstständigen, die sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenkasse versichern lassen, zahlen auch selbstständige Lehrer*innen hohe Beiträge, zumal freiberufliche Lehrer*innen Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung leisten müssen. Nicht zuletzt fallen Kosten für den Unterhalt des Arbeitsplatzes an (Miete, Strom , Heizung). Für die meisten Lehrkräfte zahlt Learnship damit weniger als das Existenzminimum. Trotzdem verfolgt die international agierende Firma weiterhin eine Politik, die die Entlohnung ihrer Lehrkräfte weltweit auf den kleinstmöglichen Wert reduziert. Die Konsequenzen für Arbeiter*innen in Ländern mit hohen Lebenshaltungskosten wie Deutschland sind katastrophal.

Die Bedingungen bei Learnship haben sich seit Jahren zunehmend verschlechtert. Die Zeiten, in denen das Unternehmen noch einen guten Ruf unter den Lehrenden von Online-Sprachkursen hatte, sind lange vorbei. Es gibt weder einen Betriebsrat noch andere Gewerkschaftsvertreter*innen in der Firma. Deshalb haben sich die Lehrenden bei der Freien Arbeiter*innen Union (FAU) Berlin organisiert.

Zu den Kunden von Learnship zählen u.a. Branchenriesen wie IBM, Volvo, Canon und Carrefour. Unserer Einschätzung nach erfüllen die Arbeitsbedingungen bei Learnship nicht die Anforderungen und minimalen Standards, die diese Firmen für ihre Nachunternehmer gesetzt haben.

Die FAU hat wiederholt versucht, die Geschäftsführung von Learnship zu einem Dialog einzuladen, wurde aber ignoriert. In der Folge wird die FAU ihren Einsatz für eine faire Behandlung und bessere Arbeitsbedingungen für Selbstständige bei Learnship verstärken und den Kampf für die ausgebildeten Fachkräfte, die nur Verträge ohne feste Stundenzahl und ohne Arbeitsgarantie haben, weiterführen. Die Lehrenden berichten von großer Verunsicherung, Frustration und psychischem Stress. Eine Lehrkraft sagt: „Früher galt der Lehrberuf noch etwas. Inzwischen komme ich kaum noch auf den Mindestlohn. Ich frage mich, was eine pädagogische Ausbildung noch wert ist.“ Viele denken nun darüber nach, ihren Beruf, den sie lieben und an dem sie besonders die Zusammenarbeit mit ihren Schüler*innen schätzen, zu verlassen.

Im digitalen Zeitalter steigt der Bedarf an Fremdsprachenunterricht und damit wächst auch der Sektor der Sprachtrainings und -schulen rapide. Die Menschen, die die Fähigkeiten und Ausbildung haben, diese Dienstleistungen anzubieten, finden sich jedoch vielfach in prekären Arbeitsverhältnissen wieder, die ihre Lebensgrundlagen unterminieren.

Die FAU fordert Learnship dazu auf, die Arbeitsbedingungen für alle im Betrieb zu verbessern. Eine faire Bezahlung und faire Regelungen zu Absagen wären erste wichtige Schritte. Es ist dringend erforderlich, dass die Lehrkräfte bei Learnship gerecht behandelt und angemessen entlohnt werden. Das ist das Fundament einer gesicherten und nachhaltigen Zukunft für Online-Unterricht.