PRESSEMITTEILUNG – BERLIN, 06. Juli 2023 – Als sie Anfang des Jahres anfingen, waren sie sich ihres Sieges nicht sicher: Nach Sieben Monaten voller Gerichtsverhandlungen, Demonstrationen, Pressearbeit und Selbstorganisation einigten sich die von einer Massenentlassung betroffenen Arbeiter:innen der ecoCARRIER AG/veloCARRIER GmbH außergerichtlich auf die Zahlung aller ausstehenden Löhne und zusätzlicher Abfindungszahlungen.
Am Mittwoch, den 21.06., war es soweit. In den Räumlichkeiten der Freien Arbeiter:innen Union (FAU) Berlin einigten sich die Verhandlungsführerin der FAU mit CEO Raimund Rassillier, auf Abfindungszahlungen von etwa einem Monatslohn pro Arbeiter:in und die Zahlung der ausstehenden Löhne.
Bis Dezember hatten die Fahrer:innen unter anderem Gemüsekisten für REWE und andere Unternehmen ausgeliefert. Die Arbeitsbedingungen wurden trotz gegenteiliger Versprechen zunehmend schlechter und gefährlicher, so wurden die Fahrräder nicht gewartet, die Löhne nicht regelmäßig oder falsch ausgezahlt, die Schichtplanung spontan geändert. Als Grund benannte ecoCARRIER AG/veloCARRIER GmbH in der Regel zufällige Fehler und Ausnahmen, die zeitnah behoben werden sollten. Die Standortleitung Berlin kündigte aufgrund der unüberwindbar schlechten Arbeitsbedingungen und ihrer eigenen Überlastung. Kurz nachdem die Beschäftigten eine Betriebsratswahl begonnen hatten, reagierte Rassillier mit der Ankündigung der Schließung des Berliner Standorts. Die Kontaktaufnahmen einzelner Arbeiter:innen ignorierte das Unternehmen konsequent, so auch gemeinsam formulierte Briefe. Die ersten zehn Gütetermine vor dem Arbeitsgericht wurden von seiten der ecoCARRIER AG/velo CARRIER GmbH kurzfristig verschoben. Trotz dieser Verzögerungstaktik hielten die Arbeiter:innen an ihrem Anliegen fest, gründeten die Betriebsgruppe ecoCARRIER innerhalb der FAU und organisierten unter anderem eine Fahrraddemo zu einem der Arbeitsorte sowie eine Demonstration vor REWE in Neukölln.
„Zu jedem Gerichtstermin traten wir als Gruppe auf. So konnten wir zunächst die Aufnahme außergerichtlicher Verhandlungen erwirken und im Weiteren den Druck aufrechterhalten, um die Verhandlungen zu einem Erfolg zu führen.
— Helen W, Fahrer*in und Teil der FAU-Betriebsgruppe.
Die außergerichtliche Einigung ist nicht der einzige Erfolg: So standen die entlassenen Arbeiter:innen über Sieben Monate zusammen und traten solidarisch füreinander ein. Wissen über Arbeitsrecht und den Ablauf einer Kündigungsschutzklage wurde gesammelt. Dieser Prozess politisierte und empowerte sie. Mitglieder der FAU traten wiederholt als Beistand in Güteverhandlungen auf und wurden vom Gericht als solche anerkannt. Die verschiedenen Presseberichte über diesen Kampf gegen Entlassungen und schlechte Behandlung erhöhen die Aufmerksamkeit für Missstände in der Branche.
„Dieser Sieg ist ein Beweis dafür, dass ungerechtfertigte Entlassungen und schlechte Arbeitsbedingungen nichts sind, das Arbeiter:innen hinnehmen und ertragen müssen. Wenn wir uns als Arbeiter:innen organisieren und uns wehren, sind wir schwer zu besiegen. Dieses Wissen können wir in zukünftige Arbeitsverhältnisse mitnehmen.“
— Anna B, Fahrer*in und Teil der FAU-Betriebsgruppe.