Bundeskongress in Berlin
Im „Haus der Demokratie und Menschenrechte“ trafen sich am Pfingstwochenende Delegierte aus über 20 FAU-Syndikaten, Partnersektionen der Internationalen ArbeiterInnen-Assoziation sowie Vertreter*innen weiterer Basisgewerkschaften. Berichte und Wahlen, Podiumsdiskussionen und Arbeitsgruppen prägen die jährliche Routine des Kongresses. Besonders spannend wird es immer am Sonntagvormittag, wenn die Voten der Syndikate zu den vorliegenden Anträgen zusammengetragen werden – das allerdings zum letzten Mal, denn die Änderung des Abstimmungsprozesses war einer der mit großer Mehrheit getroffenen Beschlüsse: Künftig soll mehr Zeit für Diskussionen zur Verfügung stehen.
Auch die Verabschiedung eines neuen Grundlagentexts und die Außerkraftsetzung der Prinzipienerklärung von 1990 machen diesen Kongress zu einem, der Langzeitwirkung entfalten sollte. Jenseits dieser symbolträchtigen Entscheidungen prägten hingegen praxisbezogene und strategische Diskussionen das Bild. Der Kampf der FAU Berlin um di Löhne von Bauarbeitern der „Mall of Berlin“, der erfolgreiche Aufbau der Gefangenengewerkschaft GG/BO, die vielfältigen „kleinen“ Arbeitskämpfe unserer Sektionen und Partnergewerkschaften und die Tatsache eines erheblichen Mitgliederwachstums sind Indikatoren für eine zunehmende Bedeutung basisgewerkschaftlicher Aktivität.
Diesen positiven Zukunftsperspektiven stehen große Herausforderungen gegenüber: Einerseits ist mit dem Tarifeinheitsgesetz ein staatlicher Angriff auf die Handlungsmöglichkeiten von Gewerkschaften geplant, andererseits nehmen Kämpfe zu, die von der Basis direkt ohne Umweg über die zentralisierten Gewerkschaftsapparate ausgehen. Diese Kämpfe sind – hier stimmten die internationalen Gäste mit den Aktiven der FAU überein – auch Ausdruck einer tiefen Krise des Kapitalismus, die keineswegs überwunden ist, sondern zu einer Verschärfung von Ausbeutungsverhältnissen führt, denen gerade Arbeitsmigrant*innen besonders stark ausgesetzt sind. Umso wichtiger ist der grenzüberschreitende Austausch von Gewerkschaften, der auf diesem Kongress viel Raum einnahm: Delegierte aus Italien (USI-AIT), Spanien (CNT-AIT ), Großbritannien (SolFed Brighton), Frankreich (CNT-F and CNT-SO), Griechenland (Rocinante), der Schweiz (FAU Bern), Schweden (SAC) und des IAA-Sekretariats aus Polen berichteten über ihre Erfahrungen und Aktivitäten.
Wie wir auf die neuen Herausforderungen reagieren, aber auch die Chancen aus der zunehmenden öffentlichen Wahrnehmung unserer Kämpfe und Ansätze nutzen können, ist jedoch genauso „Work in Progress“ wie unsere neue Prinzipienerklärung und ein neues Erscheinungsbild unserer Print- und Onlinemedien, die Zeitung Direkte Aktion und die Webpräsenz www.fau.org. Letzteren Baustellen werden sich im kommenden Jahr Arbeitsgruppen widmen, um zum nächsten Kongress abstimmungsreife Ergebnisse präsentieren zu können.
Wie neue oder inaktive Mitglieder am Besten in die aktive Gewerkschaftsarbeit einbezogen werden können, ist gerade in Zeiten zunehmender Kämpfe und wachsender Syndikate eine drängende Frage. Eine Referentin der Foreigners‘ Section der FAU Berlin stellte hier das Modell der schwedischen Gewerkschaft SAC vor. Auf einer Podiumsdiskussion stellten die IWW, Labournet.tv und die GG/BO Beispiele erfolgreicher Organisierung vor.
Einen Schatten voraus warf die bevorstehende Gründung einer Föderation von gewerkschaftlich organisierter Kollektivbetriebe, den Union Coops: Sowohl Kaffee als auch Bier wurden von Kollektiven produziert, die sich dieser Initiative angeschlossen haben. Für eine hervorragende Verpflegung mit Friedrichshainer Spezialitäten danken wir dem Kochkollektiv "Veganer Solibrunch in der Rigaer 94".